Wie der Titel «Der Traum vom Fliegen» impliziert, kann die Protagonistin in diesem jüngsten Roman von Milena Moser tatsächlich abheben. Auch andere Figuren verfügen über spezielle Geheimkräfte. Sie lernen sich alle in einer Privatklinik kennen. Das Buch sorgte in den Zirkeln für kontroverse Diskussionen; vor allem beschäftigte viele die Frage: Meint die Autorin diese Geschichte als unterhaltsame Parodie auf US-Verhältnisse, oder verfolgt sie tiefgründigere Absichten?
Sofia kann sich eigentlich nicht beklagen: Ihre zwei schwulen Väter tun alles für die gemeinsame Tochter; in der Schule schreibt sie Bestnoten und verfolgt hartnäckig das Ziel, Astronautin zu werden. Die Pandemie wirft sie zurück; zwar fliegt sie nachts in der Gegend herum, aber gleichzeitig begegnet ihr auf diesen heimlichen Exkursionen das Leid der Welt, das sie selber nicht verändern kann. Dieser Preis für ihre Ausflüge ist ihr zu hoch; also futtert sie sich innerhalb eines Jahres 30 zusätzliche Kilo an, um schwer genug zu sein, am Boden zu bleiben. Fliegen macht ihr unter diesen Bedingungen keinen Spass mehr.
Einweisung in die Klinik
Ihre Väter, die von ihrer temporären Schwerelosigkeit nichts wissen, verfolgen mit grosser Sorge Sofias Gewichtszunahme. Sie muss dringend abnehmen; also wird sie in eine Privatklinik eingewiesen. Dort begegnet sie Patientinnen und Patienten mit ganz unterschiedlichen Problemen; und schliesst Freundschaft mit Zach und Carmel; der Hochstapler versteht es, Gedanken zu lesen; die Lottokönigin kann sich unsichtbar machen.
Kein Wunder also, gründen die drei einen Pakt, um ihre übersinnlichen Kräfte gezielt einzusetzen; ihr erster Plan besteht darin, die geplagte Körpertherapeutin Sky vor ihrem brutalen Ehemann zu retten
Persiflage oder Tiefgang?
Einige in den Lesezirkeln fühlten sich an eine jugendliche Abenteuergeschichte à la «5 Freunde», «Die 3 Fragezeichen» oder «Harry Potter» erinnert. Andere bemängelten, dass zwar viele interessante Themen angeschnitten, aber längst nicht alle aufgelöst wurden. Und Dritte sahen die Geschichte primär als witzige Unterhaltung, in der Milena Moser amerikanischen Zuständen mit einem Augenzwinkern den Spiegel vorhält.
Oder steckt doch mehr hinter «Der Traum vom Fliegen»? Ist der Roman ein Versuch, auf spielerische Weise über die Verunsicherung heutiger Jugendlicher zu schreiben? Angesichts von Corona, Klimakrise und Kriegsgeschehen haben es Heranwachsende ja wirklich nicht einfach, in die Zukunft zu blicken.
Spürbare Fabulierlust
Einig war man sich in den Diskussionsgruppen, dass Milena Moser eine gute Erzählerin ist; sie treibt die Geschichte rasant vorwärts, überrascht mit unerwarteten Wendungen und scheint sich von ihren eigenen Figuren gerne mitreissen zu lassen. Diese Fabulierlust hat zweifellos einen eigenen Charme, auch wenn vielleicht am Schluss zu viele offene Fragen mit einem schnellen Happy End besiegelt werden.
Luzia Stettler
Milena Moser’s hat mich nicht überzeugt.
Gefallen hat mir ihr Schreibstil.
Die beschriebenen Hauptpersonen sind mir fremd geblieben. Ihre Lebensschicksale und Charakter haben mich nicht berührt. Die Protagonisten, die sich in dieser Klinik zu einer Gemeinschaft formieren, sind für mich wie Statisten in einem Schauspiel.
Für die Hauptperson, Sophia, kann ich am ehesten eine gewisse Nähe und Verständnis aufbringen. Der Einfall der Autorin, dass Sophia fliegen kann, gibt dem Buch etwas Surreales.
Spannend fand ich die Diskussion, teile aber nicht die Meinung, dass es sich um eine Persiflage handelt.
Obwohl ich dem Buch gegenüber zwiespältig bin, hinterlässt die Auseinandersetzung mit der Geschichte gute Gedanken.
Schon beiMilena Mosers erstem Redebeitrag hat sich mir erschlossen, worum es ihr ging mit diesen Superkräften. Obwohl ich davon ausgegangen bin, dass es sich nicht um Fantasy handelt, sondern diese Superkräfte eine symbolische bedeutung haben, ging für mich die reale bedeutung nicht aus dem Text hervor. Nach dieser Runde kann ich mit dem Buch mehr anfangen, dennoch finde ich die literarische Umsetzung nicht sonderlich gelungen. Die Figuren sprechen nicht für sich selbst, sie brauchen die Erklärung. Und es werden zu viele Themen angerissen, die aber nicht vertieft werden. Vielleicht müsste ich das Buch nochmals lesen, damit ich ihnen auf die Spur komme. Aber das mache ich wahrscheinlich trotzdem nicht.