Diskussion zum Roman «Seinetwegen» von Zora del Buono

Bild: Cover Seinetwegen – Zora del Buono

Im Band «Seinetwegen» macht sich Zora del Buono 60 Jahre nach dem Unfalltod ihres Vaters auf eine besondere Spurensuche: Was genau ist damals geschehen ? Und wie konnte der verantwortliche Autofahrer mit seiner Schuld weiterleben ?
Für dieses Werk gewann die Zürcher Autorin den Schweizer Buchpreis 2025.
In den Lesegruppen wurde vor allem die unkonventionelle Vermittlung dieses Stoffes gelobt; und der Anspruch, anhand des persönlichen Schicksals auch etwas Allgemeingültiges aufzuzeigen.

Zora del Buono hat ihren Vater nie kennengelernt; sie war erst 8 Monate alt, als er bei  einem Verkehrsunfall auf einer Landstrasse zwischen Glarus und St. Gallen ums Leben kam: ein junger Mann auf der Gegenfahrbahn hatte sein Auto nicht im Griff und donnerte – nach einem riskanten Ueberholmanöver – frontal in den VW-Käfer des vielversprechenden Radiologen del Buono. Dieser starb fünf Tage später im Zürcher Universitätsspital, wo er selber angestellt gewesen war, an den Folgen der Kollision.

Vater blieb eine Leerstelle

Zora del Buono wuchs alleine mit ihrer Mutter auf. Er sei für sie immer eine Leerstelle geblieben, erzählt sie im Gespräch. Wenn immer sie  Fragen stellte, spürte sie, wie die Mutter wieder in Trauer verfiel. Also mied sie geflissentlich das Thema, um nicht unnötig Schmerzen zu verursachen; sie selber hatte den Vater ja nie gekannt; also vermisste sie ihn auch nicht. Erst im Alter von 60 Jahren reifte der Entschluss, jenes dunkle Kapitel in der eigenen Biografie etwas näher unter die Lupe zu nehmen: Wer war dieser «Töter», der ihren Vater auf dem Gewissen hatte ? Ist er gar noch am Leben ? Und wie ist er mit seiner Schuld zurecht gekommen ?

Spannende Spurensuche
Zora del Buono besucht Archive und Gemeindeämter, spricht in Altersheimen vor und diskutiert laufend die Resultate ihrer Recherchen an den wöchentlichen Kaffee-Runden mit Freunden. Wir schauen ihr beim Lesen quasi über die Schulter, erfahren erstaunliche Details und spüren gleichzeitig auch an Stil und Ton ihrer  Schilderungen, wie sich ihre Einstellung zum einstigen Rowdy subtil verändert: sie hat einen «Töter» gesucht und einen «Menschen» gefunden. Auch sein Leben – das zeigen ihre  Nachforschungen – blieb nach diesem tragischen Unfall überschattet.

Warum erst mit 60 ?

Auf die Frage, warum sie sich nicht früher an diese Detektivarbeit gemacht habe, verweist Zora del Buono auf die Demenz ihrer Mutter; erst jetzt, da sie mit ihr nicht mehr sprechen konnte, musste sie nicht länger Rücksicht nehmen. Aber vielleicht sei die grosse Distanz zum Unfallereignis auch einfach nötig gewesen,  «um mir zuzutrauen, die Ergebnisse dieser Recherche überhaupt zu verkraften. Es war völlig offen, wohin die Reise führen würde.»

Grosses Echo ausgelöst

Mit grosser Sensibilität und präziser Sprache schildert die Autorin in diesem Buch, was es heisst, Lücken in der eigenen Identität zu schliessen. Und für mich liegt die Qualität von «Seinetwegen» sehr stark auch an der besonderen Machart: Zora del Buono bleibt nicht in ihrer eigenen Geschichte stecken, sondern zitiert auch Statistiken zu Autos und Verkehrsunfällen, holt Meinungen und Ansichten anderer Leute rein, erzählt von lustigen Begegnungen auf ihren Glarner Exkursionen und schafft damit raffiniert die Gratwanderung, eine schwieriges Thema auch immer wieder mit Humor und Leichtigkeit aufzulockern, ohne es banal oder lächerlich zu machen.

Luzia Stettler

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